+++ Neugestaltung und Sanierung der Innenstadt +++

Verkehrsversuch Neutorstraße abgeschlossen

Die Neutorstraße teilt die Emder Innenstadt in zwei Teile. Für Rat und Verwaltung der Stadt Emden ist die Entwicklung der Innenstadt eines der wichtigsten Ziele. Um langfristig die Aufenthaltsqualität im Stadtzentrum zu steigern und die Innenstadt lebenswerter zu gestalten, müssen auch die Verkehrssysteme angepasst werden. Um die beste Lösung zu finden, wurden seit Sommer 2021 im Rahmen der Innenstadtsanierung verschiedene Verkehrsversuche auf der Neutorstraße durchgeführt. Die Auswertung ist nun abgeschlossen und die Verwaltung gibt eine Empfehlung für die künftige Gestaltung. Diese Neugestaltung und Sanierung erfolgen im Rahmen des Programms Lebendige Zentren "auf Basis eines Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzeptes". 

Die Ausgangssituation in der Neutorstraße stellte sich bislang dar wie folgt. Starker und intensiver Autoverkehr zu sämtlichen Zeiten wirkte für Fußgänger*innen als Barriere und beeinträchtigte dabei besonders die Aufenthaltsqualität in der Fußgängerzone. Zu wenig Raum und zu schmale Radwege bot Gefahren für Fuß- und Radverkehr und stellte sich als nicht besonders attraktiv dar. 

Auch der Zustand des Straßenbelags und die fehlende Begrünung wurden kritisiert. Insgesamt fehlen der Neutorstraße die Aufenthaltsqualität mit Fahrradabstellmöglichkeiten und der Wahrnehmbarkeit des anliegenden Einzelhandels. 

Die Zielsetzung: Die Neutorstraße der Zukunft bietet umfangreich Platz für Menschen und ermöglicht einen angenehmen Aufenthalt. Die Straßenränder wachsen zusammen und fördern so das Kleinklima. Verweil- und Flanierdauer werden erhöht und machen die Neutorstraße zu einem Ort, an dem sich Besucher*innen der Innenstadt wohl fühlen können. 

Verbunden sind diese Bestrebungen immer mit einer höheren Verkehrssicherheit für Fuß- und Radverkehr. Radfahren mit weniger Auto-Durchgangsverkehren ist angenehm und entspannt. Letztendlich wird mehr Flexibilität in der Nutzung der Neutorstraße geschaffen. 
Das übergeordnete Ziel sind eine autoärmere Innenstadt, mehr Aufenthaltsqualität und mehr Flexibilität in der Nutzung. 

Folgende Verkehrsversuche wurden durchgeführt: 

1.    Variante 1: Einbahnstraße Richtung Süd -> Nord (Aug. 2021 bis Dez. 2021)
2.    Variante 2: Einbahnstraße Richtung Nord -> Süd (Dez. 2021 bis Mai 2022)
3.    Variante 3: Unechte Fahrradstraße (Mai 2022 bis heute)
4.    Variante 3+: Echte Fahrradstraße ohne PKWs (Volksfesten und Baumaßnahmen)

Alle Varianten wurden eng durch die Stadtplanung begleitet. Es wurden diverse Verkehrszählungen und Untersuchungen durchgeführt. Die Auswertung stellt sich dar wie folgt: 

Variante 1: Einbahnstraße Süd -> Nord: Diese Variante 1 stellt eine ungünstige Verkehrsführung dar, da die Quell-, bzw. Zielverkehre vertauscht sind. Die Hauptströme sind tatsächlich aus Harsweg in Richtung Borßum. 
Daraus resultierte eine deutliche Zunahme des Verkehrs auf der Achse Friedrich-Ebert-Straße – Nordertorstraße in Nord-Süd Richtung und hatte lange Rückstaus in den Kreuzungen Agterum und Zwischen beiden Bleichen zur Folge. Gerade die unübersichtliche Kreuzungssituation Agterum stellte ein erhöhtes Gefahrenrisiko dar. Auch die mittig geführte Radspur hatte Unsicherheiten bei allen Verkehrsteilnehmern zur Folge. Insbesondere die Abbiegesituation für Radfahrende war ungünstig, da auf entgegenkommenden PKW Verkehr gewartet werden musste. 

Festzustellen ist deshalb, dass diese Variante 1 keinen  substanzieller Mehrgewinn für den öffentlichen Raum aufgrund des Süd-Nord Verkehrs darstellte und kaum einen substanzieller Mehrgewinn an Fläche für den Radverkehr aufgrund der Abbiegespuren Kreuzung Agterum bedeutete. Ein Verschwenken der Fahrspur bedeutete zwar einen Platzgewinn auf westlicher Seite, während das Erweiterungspotenziale für den öffentlichen Raum aber vor allem auf der östlichen Seite (Arkaden) liegt. Positiv ist aber festzustellen, dass es eine Reduzierung der PKWs durch Einbahnstraßenregelung gab und die erweiterbare Fläche für den öffentlichen Raum am Stadtgarten vorhanden wäre. 

Variante 2: Einbahnstraße Nord -> Süd (Fahrrad wird an den Seiten geführt (Maximalbreite): Die Variante 2 führt dazu, dass für den Radverkehr zwar mehr Platz vorhanden ist, jedoch auf Kosten des öffentlichen Raumes, weil es dann keine Erweiterungsmöglichkeiten der Randbereiche unter den Arkaden gibt. Außerdem ist festzustellen, dass es mehr Autoverkehr gibt, als bei den Fahrradstraße-Varianten (V3 / V3+). Positiv ist auf jeden Fall die klare Trennung zwischen Rad- und PKWs und die durchgängig konstante und gewohnte Führung des Radverkehrs im Seitenbereich (keine Umgewöhnung der Radfahrroutine), was zu einem erhöhten subjektiven Sicherheitsempfinden bei Radfahrenden  führte. Neben der Reduzierung der PKWs durch diese Einbahnstraßenregelung kam es nur zu einer geringen Zunahme des Verkehrs auf der Achse Friedrich-Ebert-Straße – Nordertorstraße. Darüber steht bei dieser Variante die gesperrte Geradeausspur Faldernstraße für eine alternative Nutzung zur Verfügung (Rathaus / Landesmuseum / Goldener Adler etc.)

Variante 3: Unechte Fahrradstraße. (Fahrräder und PKWs werden auf einer gemeinsamen Spur geführt): Ein großer Sicherheitsmangel dieser Variante ist es, dass der Vorrang der Radfahrenden von den PKWs nicht beachtet wird. Es kam deshalb vermehrt zu hohen Geschwindigkeiten der PKWs bei Überholvorgängen von Fahrradfahrenden (gesteigertes Gefahrenpotenzial). Es wird oft trotz Überholverbot bei nicht einhaltbarem Mindestabstand von 1,5 m zu Radfahrenden überholt. Für eine Fahrradstraße sind darüber hinaus zu viele Querungsmöglichkeiten, also Zebrasteifen vorhanden, die nachteilig für eine stetige Verkehrsführung sind. 

Ein Miteinander der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden in Süd-Nord Richtung funktioniert nur bedingt. Der Verkehrsraum wird nicht geteilt und Fahrradfahrende weichen in die Seitenbereiche aus. Das Rechtsfahrgebot wird von den PKWs konsequent ignoriert. Zu Verkehrsspitzenzeiten ist eine Beeinträchtigung vor allem der Süd-Nord Radverbindung Richtung Harsweg festzustellen.

Die Vorteile dieser Variante 3 ist tatsächlich die große Aufstell- bzw. Erweiterungsflächen auf der östlichen Seite (Arkaden), die dazu führt, dass die Parklets sehr gut genutzt wurden. Eine Reduzierung der PKWs durch Einbahnstraßenregelung ist ebenfalls hervorzuheben. Die Notwendigkeit von gegenseitiger Rücksichtnahme führt (bedingt) zu Lerneffekten bei den Verkehrsteilnehmern. Konkrete Vorfälle oder Unfälle sind weder der Polizei noch der Straßenverkehrsbehörde bekannt 

Variante 3+: Echte Fahrradstraße (Sperrung für PKWs – Beobachtungen während Baumaßnahmen und Volksfesten):  Folge dieser Variante 3+ ist eine erhöhte Belastung der angrenzenden Stadtteile durch Nahbereichsausweichverkehre. Eine Umfahrung der Innenstadt etwa über die Autobahn wird nur bedingt genutzt. Positive Effekte sind von daher erst durch eine massive Änderung des Verkehrsverhaltens erreichbar und bedeutet einen langen Lernprozess insbesondere bei den PKW-Fahrern. Auch würden weiterführende verkehrsmindernde Maßnahmen in den angrenzenden Quartieren notwendig sein, die die Akzeptanz für diese Variante 3+ erheblich mindern würde. 

Festzustellen ist aus der Sicht der Verwaltung, dass die Variante 3+ die beste Lösung zur Erreichung der Ziele einer autoarmen Innenstadt und zu mehr Aufenthaltsqualität führen würde, weil sie enorme Vorteile bieten würde: Ein sicheres Radfahren ohne Lärm-, Staub- und Luftbelastung. Ein Mehr an öffentlichen Raum und Aufstellflächen wäre die Folge. Darüber hinaus wäre die Achse Stadtgarten/Brückstraße für Fußgänger stark verbessert. Der Verkehrsfluss der Straße Am Delft/Faldernstraße würde sich verbessern, da es keine Abbiegebeziehung mehr gäbe. Diese Variante hätte eine enorme Pro-Signalwirkung für den Rad- und Fußverkehr. 

Die Verwaltung empfiehlt als Lösung einen Mix aus den Varianten 2 und 3+ als sogenannten verkehrsberuhigten Geschäftsbereich: 
Die Variante 2, die gemäß Auswertung, die sinnvollsten Vorteile bietet, wird präferiert. Die Einbahnstraße in Nord-Süd Richtung mit Fahrradschutzstreifen an den Seiten wird beibehalten, aber im Regelmaß von 1,5m – 1,8m oder 2m. Dadurch ergibt sich zusätzlich je nach Querschnitt mindestens 1,50m bis zu 3,00m als Erweiterungsfläche für den öffentlichen Raum auf der östlichen Straßenseite der Neutorstraße (Arkaden). Eine höhengleiche Durchpflasterung der gesamten Straßenfläche (Fuß- und Radweg, sowie PKW-Fahrbahn) vermittelt einen positiven Eindruck. Durch die Erhöhung der Neutorstraße entsteht so eine anders wahrnehmbare verkehrliche Situation, die zusätzlich zu einer Verlangsamung des Verkehrsflusses führt (Rampeneffekt).
Die Fahrräder werden durch s.g. Fahrradschutzstreifen (Abmarkierung oder bauliche Sichtbarmachung) mehr geschützt. 

Die Ausweisung als s.g. verkehrsberuhigten Geschäftsbereich hat weitere Vorteile. Anders als bei einer Fahrradstraße (30 km/h) erhöht sich hier der Spielraum für die Reduzierung der Durchfahrtsgeschwindigkeiten (20 km/h oder 10 km/h, etc.). In verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen sind Fußgänger und Fahrzeugführer baulich und verkehrsrechtlich getrennt, Radfahrer und Kraftfahrzeuge (Kfz) werden auf der Fahrbahn und Fußgänger auf dem Gehweg geführt. Sie eignen sich für städtische Zentren mit hohem Fußgängeraufkommen, überwiegender Aufenthalts- bzw. Einkaufsfunktion und sichern dabei die Erreichbarkeit von Geschäften und Restaurants mit dem Kfz. Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche stellen ein geeignetes Mittel zur Verbesserung der Verkehrssituation und -beruhigung in sensiblen Straßenabschnitten dar. 

Nach § 45 Abs. 1 d der [StVO] können in verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen auch Zonen-Geschwindigkeitsbeschränkungen von weniger als 30 km/h angeordnet werden. In der Regel wird in verkehrsberuhigten Bereichen eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ausgewiesen. Seltener sind auch 10 km/h oder 30 km/h zulässig.“

In einem zweiten Schritt könnte man durch die Errichtung einer Polleranlage in der Einfahrt Neutorstraße weitere verkehrsberuhigende Effekte erzielen. Dadurch lässt sich die Nutzung der Straße in Zukunft flexibel gestalten. So etwa zu besonderen Ereignissen wie Delftfest, Weihnachtsmarkt, verkaufsoffener (autofreier) Sonntag, Feiertage, etc. Denkbar wären ebenfalls weitere Varianten unter der Prämisse „Fahrrad frei“. 
In Kombination mit einem Verkehrsleitsystem, dass den aktuellen Status (Poller oben / unten) frühzeitig (im Stadtgebiet) anzeigt, ist eine intelligente Verkehrsführung möglich.

Darüber hinaus ist eine Wegnahme bzw. Umgestaltung und der Ersatz der Fahrradbügel auf der westlichen Seite denkbar, um die Durchlässigkeit der neugeschaffenen Fläche zu erhöhen. Zebrastreifen können ebenfalls verbleiben oder es werden alternativ unsignalisierte Fußgängerfurten geschaffen. 
Des Weiteren werden die Abbiege- und Gradeausspur Kreuzung Rathaus zusammengelegt. Dadurch wird mehr Fläche vor dem Rathaus, Stadtgarten und der Faldernstraße geschaffen. 

Die vorgeschlagene Verkehrsführung entspricht somit vom Querschnitt im Prinzip dem Verkehrsversuch der Variante 2. Einbahnstraße in Nord – Süd Richtung mit breiten Radwegen an den Seiten, die aber nicht ganz so breit wie im Verkehrsversuch zwei gestaltet sind. Zu gewissen Zeiten lässt sich die Straße durch Poller soweit verkehrsberuhigen, dass sie nur noch für Fahrradfahrende, ÖPNV, Rettungskräfte und für Liefer- und Müllfahrzeuge befahrbar ist. 

Folgende Vorteile ergeben sich aus dem Vorschlag der zukünftigen Verkehrsführung:
Die Befahrbarkeit für PKWs und die Erreichbarkeit der Geschäfte für alle Verkehrsteilnehmer bleiben erhalten. Die Radwege werden verbreitert und bekommen einen zusätzlichen Schutzstreifen. Die Fußgängerbereiche werden verbreitert und somit mehr Sitz-, Aufenthalts- und Aufstellflächen geschaffen. 
Die Steuerung des Verkehres durch Poller und Entschleunigung durch Aufpflasterung reduziert die Geschwindigkeit der PKWs und verringert die PKW Belastung. Die Durchpflasterung reduziert Barrieren und erhöht den Gestaltungsspielraum für die Fläche vor dem alten Rathaus erheblich. Letztlich profitiert auch die Brückstraße von einer besseren fußläufigen Einbindung. 
 Denkbar wäre in diesem Zusammenhang ebenfalls eine andere Gliederung des o.g. Mix aus V2 und V3+, wie etwa die Zusammenführung der Radverkehre auf einer Spur und eine baulich getrennte Einbahnstraße auf einer anderen Spur. 

Bürgerbeteiligung und weiteres kurzfristiges Vorgehen: 
Die verkehrliche Situation bleibt bestehen und die Parklets im Seitenbereich werden in ihrer Position optimiert oder verschoben. Der östlicher Seitenbereich (Arkaden) wird für Radfahrende als Ausweichspur freigegeben und damit ein zusätzlicher Fahrradstreifen geschaffen. 

Gleichzeitig startet die Bürgerbeteiligung:
Für den folgenden Montag, den 6. März 2023, lädt die Stadt Emden zu einer Informationsveranstaltung in die VHS ein. Bürger*innen haben die Möglichkeit, sich direkt vor Ort oder über den Livestream via Youtube und Facebook zu informieren und mögliche Fragen zu stellen. Der Beginn der Veranstaltung und des Streams ist für 18.30 Uhr geplant.