Stadtgeschichte

Amuthon - Embden - Emden. Die wechselvolle Geschichte der Stadt Emden

1800 bis 1875

Eine Blütezeit erlebte Emden unter der Regierung des Königs Friedrich Wilhelm III. 1795 schloss das Königreich Preußen im Vertrag von Basel einen Sonderfrieden mit der französischen Republik. Bis 1806 nahm der Hohenzollernstaat eine neutrale Stellung ein. Zur Sicherung seiner Interessensphäre richtete er eine Demarkationslinie ein, deren nördlichster Punkt Emden bildete.

Die Hafenstadt profitierte von der preußischen Neutralität. Für 10 Jahre wiederholte sich die Lage aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Emden war der einzige freie westeuropäische Hafen. Die Stadt erlebte einen heftigen Boom, der in der Folgezeit verklärt wurde ("Goldene Zeit"). Mit der Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt gegen die napoleonische Armee am 14. Oktober 1806 endete die "Goldene Zeit".

Im Frieden von Tilsit 1807 wurde Emden mit Ostfriesland, dem Jeverland und Teilen des Herzogtums Oldenburg dem Königreich Holland zugeschlagen, das von Napoleons Bruder Louis Bonaparte regiert wurde. Im Verbund mit dem neuen Staat wurde Emden in die Kontinentalsperre gegen England einbezogen. Der Emder Handel brach zusammen und der Hafen verödete. Von der folgenden Depression sollte sich die ostfriesische Metropole bis 1866 nicht erholen. 1810 wurde das Königreich Holland nach erbitterten Streitigkeiten zwischen Napoleon und seinem Bruder Louis von französischen Truppen besetzt und vom Kaiserreich Frankreich annektiert. Emden und Ostfriesland bildeten nun das Departement l’Ems Orientale.

Mit dem Souveränitätswechsel war in Ostfriesland ein fundamentaler Wechsel des Rechtssystems verbunden. Die wichtigsten Änderungen bestanden aus folgenden Punkten:

  • Einführung der Gewerbefreiheit und Auflösung der Zünfte
  • Allgemeine Wehrpflicht
  • Einführung des Code Napoleon als bürgerliches Gesetzbuch
  • Einführung des französischen Zivilstandsrechts mit Zivilehe und festen Familiennamen
  • Einführung der französischen Kommunalverwaltung
  • Emanzipation der jüdischen Minderheit

Für die Emder war die Einführung der Wehrpflicht der gravierendste Aspekt der französischen Herrschaft. In der Folge mussten viele junge Männer als Rekruten 1812 am Feldzug der Grande Armee gegen Russland teilnehmen.

Im Oktober 1813 endete die napoleonische Herrschaft nach der Völkerschlacht von Leipzig. Bei Bekanntwerden der Niederlage verließen die französischen Beamten fluchtartig Ostfriesland. Russische Kosaken und preußische Einheiten besetzten das Land.

Im Wiener Kongress wurde Ostfriesland 1815 dem Königreich Hannover zugesprochen. Die Hannoversche Herrschaft zeichnete sich durch eine zentralisierte Verwaltung aus, die aktiv in kommunale Angelegenheiten eingriff. Während der ersten Phase der Hannoverschen Herrschaft kam es zur weitgehenden Rücknahme der französischen Gesetze. Die Gewerbefreiheit und die Judenemanzipation wurden wieder zurückgenommen. Dasselbe geschah mit der Zivilehe und der Zivilstandsverwaltung.

Bis 1850 war die wirtschaftliche Lage Emdens von Stagnation geprägt. Hoffnungen auf eine Verbesserung des Handels durch die Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien erfüllten sich nicht. Zur wirtschaftlichen Dauerkrise gesellte sich in ganz Ostfriesland ein starker Bevölkerungsanstieg. Das führte zur starken Zunahme der Armutsquote. Die Hannoversche Regierung versuchte den Anstieg der Bevölkerung durch regulative Maßnahmen, wie der Einführung des Nachweises der Fähigkeit zur Führung eines eigenen Haushaltes als Bedingung einer Eheschließung (Eheerlaubnisschein) zu bremsen. Diese Maßnahme verschärfte die Verelendung und förderte die Auswanderung nach Amerika, die zur Mitte des 19. Jahrhunderts ihren höchsten Stand erreichte.

Die Märzrevolution von 1848 führte in Emden zur Bildung einer Bürgerwehr. Das Bürgertum beteiligte sich aktiv an das politische Geschehen. Isaak Brons, zum Mitglied des deutschen Parlaments in Frankfurt gewählt, arbeitete in der Marinekommission mit. Er setzte sich für den Ausbau des Emder Hafens ein. Isaak Brons war einer der wichtigsten Reeder in Emden. Er engagierte sich in den 1850er Jahren stark im Auswanderergeschäft. Die letzte Phase der Hannoverschen Herrschaft bis 1866 ließ eine aktivere Strukturpolitik der königlichen Regierung erkennen. Mit dem Anschluss Emdens an der Westbahn und dem Bau des Hauptbahnhofs (1856) sowie dem vorausgegangenen Bau der Nesserlander Schleuse (1845 / 1848) wurde der Grundstein für den Ausbau des Emder Hafens gelegt.

Mit der Annektierung des Königreichs Hannovers durch Preußen nach dessen Sieg über Österreich, mit dem sich der letzte Hannoversche König Georg V. verbündet hatte, kehrte Emden zur Hohenzollernmonarchie zurück. Unter der neuen preußischen Regierung änderten sich die Strukturen vorerst nicht. Emden und Ostfriesland blieben bei Hannover, das zur preußischen Provinz geworden war.

Zeittafel

1803Bau der katholischen Kirche am Hof von Holland.
1806Kontinentalsperre: Die Emder Schifffahrt bricht zusammen.
1807Ostfriesland wird holländisch. 11. Department unter Ludwig Bonaparte.
1808Zoll, Stapelrecht und Portofrancorecht verlieren ihre Gültigkeit.
1810Ostfriesland wird französisch.
1811Department de l'Ems Oriental.
1813Ostfriesland wird wieder preußisch.
1814Die Naturforschende Gesellschaft wird gegründet.
1825Erstes Auswandererschiff fährt nach Baltimore.
1834/36Bau der neuen Synagoge.
1845/48Bau der Nesserlander Schutzschleuse, Eindeichung des Königspolders.
um 1850Viele Auswandererschiffe nach Amerika.
1856Erster Emder Bahnhof, Endstation der hannoverschen Westbahn. Anschluss an das Eisenbahnnetz durch den Bau der Westbahn nach Münster.
1858Gründung der Emslotsgesellschaft.
1861Georg Breusing und andere gründen Verein zur Rettung Schiffbrüchiger.
1866Preußisch-österreichischer Krieg. Ostfriesland wieder preußisch.
1874Cassens-Werft gegründet.
1874/76Kaiser-Wilhelm-Polder eingedeicht.
1875Leo Fürbringer wird Bürgermeister.