Stadtgeschichte

Amuthon - Embden - Emden. Die wechselvolle Geschichte der Stadt Emden

bis 1500

Die Besiedlung des Emder Raums reicht bis zum Neolithikum zurück. Zum ersten Mal erwähnt wurde das Gebiet vom römischen Autor Titus Livius. Im Zuge eines Feldzuges gegen westgermanische Stämme ankerte eine Flotte unter dem Kommando des Kaisersohns Drusus in der Ems.

Die älteste Siedlung befand sich auf einem Geestvorsprung, an dem ein Wasserlauf, die Ee oder Ehe (aus dem Friesischen) vorbeiführte. Während der Herrschaft der römischen Kaiser Augustus und Tiberius lebten hier Angehörige des Stammes der Chauken. Sie verschmolzen während der Völkerwanderungszeit mit den Sachsen und zogen mit Angeln, Jüten und Teilen des sächsischen Stammes nach Britannien, wo sie das Königreich der Angelsachsen begründeten. Der Emder Raum wurde seit dem 7. Jahrhundert von Friesen besiedelt.

Inzwischen war der Meeresspiegel der Nordsee angestiegen und zwang die Bewohner der Marsch zum Wurtenbau. Die Siedlung an der Ems, Amuthon, erfuhr durch den friesischen Handel im frühen Mittelalter einen Aufschwung, weil er einen gut erreichbaren, windgeschützten Hafen bot. Mit der Christianisierung im 7. und 8. Jahrhundert erhielt der aufstrebende Ort eine hölzerne Kirche, aus der die Große Kirche entstehen sollte.

Bis zum 14. Jahrhundert entwickelte sich "Amuthon" oder "Amisia" zum Sitz einer friesischen Häuptlingsfamilie, der Abdena. Zwischen 1350 und 1400 rückte der Hafensitz im Focus der Geschichte Ostfrieslands. Der ostfriesische Geschichtsschreiber Ubbo Emmius beschreibt diese Epoche in seinem Werk und vermittelt ein anschauliches Bild. Die ostfriesische Halbinsel war im 14. und 15. Jahrhundert Schauplatz von Fehden zwischen Häuptlingsdynastien um die Vorherrschaft. Nach dem Ende des Upstalboombundes der friesischen Seelande hatten sie mehr und mehr an Bedeutung gewonnen. In den Machtkämpfen verbündeten sie sich mit Piraten, wie dem legendären Klaus Störtebeker, denen als Preis für ihre Hilfe sichere Häfen geboten wurden.

Diese Bündnisse riefen die Hanse auf dem Plan. Hamburgische Schiffe erschienen um 1400 vor Emden und drängten Hisko Abdena, dem Probst und Häuptling zu Emden, sich von den Vitaliern zu distanzieren. 1414 eroberte Keno tom Brok, Häuptling des Brookmerlandes und für kurze Zeit mächtigster Herr in Ostfriesland, die Stadt an der Emsschleife.

Mit der Niederlage der tom Broks gegen den Bund um den Oberledinger Häuptling Fokko Ukena kehrte Hisko Abdena nach Emden zurück. Erneut verbündete er sich mit Piraten. Sein Sohn und Nachfolger Imel wurde 1433 durch eine List auf ein im Hafen ankerndes Hamburger Schiff gelockt und nach Hamburg entführt. Hier verstarb er 1455 in Haft.

Die Hamburger besetzten Emden und ließen die Stadt zunächst unter der Herrschaft seiner Mutter Fossa. Bald setzten sie einen Gouverneur ein und Emden wurde zu einem Hongkong in Ostfriesland. Zur Sicherung der Ems und ihres Handels legten die Hamburger die Festungen Leerort und Stickhausen an. Inzwischen gelang es Edzard und Ulrich Cirksena, Häuptlinge von Greetsiel, die führende Position unter den ostfriesischen Häuptlingen zu erringen. Im Bündnis mit freien ostfriesischen Bauern, der meene mente, schlugen sie Fokko Ukena und vertrieben ihn 1431 aus Ostfriesland. Edzard Cirksena verstarb 1441 an der Pest.

Nach sechsjähriger Herrschaft übergaben die Hamburger 1439 die Stadt Emden an Ulrich Cirksena, der de jure ihr Statthalter wurde. Die Hansestadt war mit dem militärischen Engagement in Ostfriesland finanziell überfordert. Bis 1450 erreichte Ulrich Cirksena die völlige Ablösung der Rechte Hamburgs auf Emden. Aus dem Hafenort an der Emsschleife entstand ein städtisches Gemeinwesen. Embden erhielt eine Ratsverfassung nach hanseatischem Vorbild. Allerdings blieb es ohne formales Stadtrecht. Unter der Hamburgischen Herrschaft erfuhr Emden eine erste Einwanderungswelle aus Westfalen.

Ulrich Cirksena baute Emden zielstrebig zum Herrschaftssitz aus. Er verstärkte die Burg mit der Stadtbefestigung und förderte den Ausbau der Stadt. Im Dezember 1464 erhielt Ulrich Cirksena durch Kaiser Friedrich die Belehnung Ostfrieslands als Reichsgraf. Damit begründete er eine Ära, die bis 1744 andauerte. Emden bekam den Rang einer Residenzstadt. Unter der Herrschaft von Gräfin Theda, einer Enkelin Fokko Ukenas und Witwe Ulrich Cirksenas (1466 – 1491), und der Grafen Edzard I. (1491 – 1528) und Enno II. (1528 – 1540) erfuhr Emden eine wirtschaftlich expansive Phase.
 

Zeittafel

um 600Friesische Siedlung östlich der Ems, Gründung von Handelsplätzen.
796-814Karl der Große, König der Franken. Friesland Teil des Frankenreiches.
um 800Emden entsteht als friesische Handelssiedlung.
nach 1000Deichbau. Bäuerliche Genossenschaften und Landesgemeinden.
um 1040Emden Münzstätte: AMVTHON-Pfennige.
1224Zollstätte in Emden. Emder Schiff in London erstmals erwähnt.
1253Bischof von Münster erwirbt Grafenrechte über Emsgau und Emden.
1277Durch eine schwere Sturmflut bricht der Dollart erstmalig ein.
14. Jahrh.Häuptling als militärischer und politischer Führer.
ab 1312Die Abdena regieren in Emden. 1356: Luert Abdena Häuptling.
1400Hisko Abdena Häuptling in Emden, zugleich Drost und Probst des Bischofs von Münster. Häuptlingskämpfe in Friesland. Erste Expedition der Hanse gegen Häuptlinge und Seeräuber in Ostfriesland.
1408Hamburger Kriegsschiffe erobern mit Hilfe von Keno tom Brook die Burg Groß-Faldern. Die tom Brook wollen Landherrschaft.
1412Kaiser bestätigt Hisko Abdena das Zoll- und Akziserecht.
1413Keno II. tom Brook erobert Emden. Hisko Abdena flieht nach Groningen.
1427Erste urkundliche Erwähnung einer Emder Bürgervertretung.
1427Fokko Ukena besiegt Okko tom Brook in der Schlacht auf den Wilden Äckern. Hisko Abdena kehrt mit Sohn Imel nach Emden zurück.
1429/33 Imel Abdena Probst und Häuptling. Ausbau der Befestigungsgräben.
1433Dritte Expedition der Hanse. Imel Abdena stirbt in Geiselhaft in Hamburg.
1435Hamburger zerstören ostfriesische Burgen: Material für die Emsmauer.
1439Hamburger übergeben Stadt und Schloß Emden an Edzard und Ulrich Cirksena; sie betrachten Edzard als ihren Amtsmann.
1442Emden bekommt eine Ratsverfassung mit vier Bürgermeistern.
1447Rückkehr der Hamburger.
1451Ulrich Cirksena beginnt Kampf gegen Hamburger.
1453Hamburger übergeben Emden an Ulrich Cirksena. Ausbau der Stadt bis 1460: Delftufer, Chor der Großen Kirche, das Schloß, Waage unter dem "Stadthuis", Siele, Reinigung des Stadtgrabens, Brücken und Stadttore.
1464Am 1. Oktober wird Ostfriesland Reichsgrafschaft. Am 23. Dezember feierliche Belehnung Ulrich I. im Franziskanerkloster.
1466Ulrich der I. stirbt. Hamburg verzichtet auf Emden.
1481/95 Clementiner-Brüderschaft, Füsorgeeinrichtung der Schiffergilde.
1483Lateinschule in Emden wird restauriert.
ab 1483Urkundliche Erwähnung von Emder Ratsherren.
1491Edzard I., "der Große", (1462-1528), Graf von Ostfriesland.
1494Das Stapelrecht wird Emden durch Kaiser Maximilian I. zugesprochen.
1495Maximilian I. verleiht Emden das Stadtwappen.
1495Emden "leiht" dem Bischof von Münster 10.000 Rheinische Gulden. Der Bischof verzichtet dafür 1497 endgültig auf Rechte an Emden.