Stadtgeschichte

Amuthon - Embden - Emden. Die wechselvolle Geschichte der Stadt Emden

1600 bis 1800

Im Sommer 1595 trafen auf Bitte des neuen Emder Rates niederländische Soldaten zum Schutz der Ergebnisse der Revolution in der Stadt ein. Die Generalstaaten der Niederlande vermittelten im Juni 1595 den Delfzyler Vertrag zwischen dem ostfriesischen Grafenhaus und der Stadt Emden, der den Status quo garantierte. Emden blieb jedoch unter der Landesherrschaft des Grafenhauses und wurde nicht "Freie Reichsstadt".

Mit dem Delfzyler Vergleich bekamen die Niederlande den Status einer Emder Schutzmacht und waren im ostfriesischen Landesstreit involviert. Unter der Regierung des Grafen Enno III. (1599 – 1625) kam es zwischen 1600 und 1602 zu einem förmlichen Krieg zwischen den Emdern und ihren Verbündeten gegen den Grafen. Enno III. erlitt eine schwere Niederlage gegen Emder und niederländische Truppen unter dem Kommando des Generals Werner van den Houte (du Bois). Im Haagischen Vergleich musste Enno III. die Stationierung einer niederländischen Garnison in Emden akzeptieren. Diese Staatische Garnison existierte bis 1744.

Der Osterhusische Akkord von 1611 brachte eine vorläufige Befriedung der Fronten im ostfriesischen Landestreit. Die Stadt Emden hatte den Zenit ihrer Macht erreicht. Bis zum Beginn des Dreißigjährigen Krieges baute sie nach den Plänen der niederländischen Festungsbaumeister Johann van Valkenburg und Gerd Evers Piloot eine umfangreiche Stadtbefestigung, die im Dreißigjährigen Krieg unangreifbar war.

Während des Dreißigjährigen Krieges profitierte die Stadt Emden vom Waffen- und Munitionshandel der Kriegsparteien. Zugleich schuf sie sich durch den Erwerb der Herrlichkeiten Borssum, Jarssum und Oldersum ein strategisches Vorfeld. Begonnen hatte der Erwerb von Herrlichkeiten 1598 mit dem Erwerb der Herrlichkeiten Up- und Wolthusen. Mit diesem Erwerb beabsichtigte die Stadt Emden, einen Sitz im Adelskollegium der ostfriesischen Landstände zu erhalten.

Mit dem Bau des Hafentores(1633)  und der Neuen Kirche (1643 – 1648) durch den Baumeister und Künstler Martin Faber signalisierte Emden nicht nur seine Bedeutung nach außen, sondern schuf zwei bedeutende frühbarocke Bauwerke.

Die Epoche von 1648 bis zum Aussterben des ostfriesischen Fürstenhauses mit Carl Edzard im Mai 1744 war für Emden geprägt von wirtschaftlicher Stagnation, zunehmender Verschlickung der Fahrrinne zum und des Emder Hafens, hoher Verschuldung und ununterbrochener Konflikte mit dem ostfriesischen Grafenhaus (seit 1662 Fürstenhaus).Fürst Georg Christian (1660 – 1665) und im verstärkten Maße seine Witwe Christine Charlotte, eine Fürstentochter aus Württemberg, versuchten, die Machtstellung ihrer Dynastie gegen die  Stadt Emden und die ostfriesischen Stände zu verbessern.

Da die Niederlande, auch infolge des Krieges gegen Frankreich, teilweise als Schutzmacht ausfielen, suchte Emden die Protektion des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Er hegte überseeische Ambitionen und nutzte seit den 1680er Jahren den Emder Hafen als Basis der Aktivitäten einer brandenburgisch afrikanischen Handelskompanie. Außerdem wurde Emden der Sitz einer brandenburgischen Admiralität.1682 entsandte der Kurfürst 300 Soldaten nach Ostfriesland und besetzte die Burg Greetsiel. Diese Soldaten bildeten den Grundstock für die brandenburgischen Mariniers in Emden aus denen im weiteren Verlauf die preußische Garnison entstand.

1694 verlieh der deutsche Kaiser Leopold I. dem Kurfürsten Friedrich III., späterer preußischer König Friedrich I., die Erbanwartschaft auf Ostfriesland. Die Stadt Emden blieb bis zum Aussterben der Cirksena-Dynastie das Haupt der Opposition gegen die Fürsten. Infolge der Niederlage der mit ihm verbündeten sogenannten "renitenten" Stände im Appelle-Krieg 1727 büßte die Stadt ihre Herrlichkeiten durch eine vom Kaiser verhängte Sequestration ein.

Gegen Ende der Fürstenherrschaft hatte sich die Lage der Stadt verschlechtert. 1744 hatte Emden eine Einwohnerzahl von etwa 6900 Menschen. Die Regierung lag in der Hand weniger, miteinander verwandter Patrizierfamilien. Handwerk und Gewerbe waren in Zünften und Gilden organisiert. Sie hatten in ihrem Berufsfeld das Monopol und sorgten für eine Verknöcherung der wirtschaftlichen Strukturen.

Mit dem Tode des letzten Cirksena-Fürsten Carl Edzard am 25. Mai 1744 übernahm der preußische König Friedrich II. im Handstreich die Landesherrschaft über Ostfriesland. In der Emder Konvention hatte er sich mit den ostfriesischen Ständen und der Stadt Emden über die Modalitäten der Herrschaft geeinigt. Es schien sich eine Fortsetzung des bisherigen Status quo im Fürstentum anzudeuten.

Aber diese Annahme war eine Fehlkalkulation. Die preußische Landesherrschaft strebte zielgerichtet die Entmachtung von Ständen und Stadt Emden an. Ein Hebel dazu war die Verschuldung Emdens und der Stände. Die Verschuldung zwang die Stadt zu Steuererhöhungen, die auf den Widerstand der Bevölkerung stießen. Die Handwerker und Gewerbetreibenden revoltierten im März 1748 gegen den Rat unter Duldung der preußischen Kriegs- und Domänenkammer. Deren Präsident Daniel Lentz kam den städtischen Gremien nur unter Bedingungen zur Hilfe.

Die Stadt verlor ihre über 150 Jahre lang bestehende Autonomie und musste sich einer von der preußischen Regierung verordneten Sanierung unterwerfen. Fortan wurde die Stadt Instrument der Landesherrschaft. Unter der Regierung des preußischen Königs Friedrich II. sollten die Asiatische Handelsgesellschaft, die West- und Ostindische Gesellschaft sowie verschiedene Ansiedlungen das Gewerbe in Emden beleben.

Mit dem Beginn des Siebenjährigen Krieges (1756 – 1763) und zweier Besetzungen durch französische Truppen wurden die Sanierungserfolge zunichte gemacht. Besatzungskosten zerrütteten die Finanzen der Stadt und beendeten die Tätigkeit der Handelsgesellschaften. Die durch die Manipulationen der preußischen Regierung hervorgerufene Geldentwertung führte zu Unruhen und löste 1761 ein Pogrom gegen die jüdische Minderheit aus, die man für die Inflation verantwortlich machte.

Zeittafel

1603Haagischer Vergleich nach 2jährigem Bürgerkrieg zwischen Emden und den gräflichen Landesteilen.
1604Johannes Althusius (1557-1639) wird Emder Stadtsyndikus; Hauptwerk: "Politica" von 1603.
1606/16Bau des Walls. 1609 Emder besetzen Aurich. 1611 Osterhusischer Akkord. Grundlage ostfriesischer Verfassung bis 1744
1614Ubbo Emmius Rektor der Groninger Universität. Historisches Hauptwerk "Rerum Frisicarum Historia" erscheint 1616.
1618/1648Dreißigjähriger Krieg. Emden wird weder angegriffen noch besetzt.
1628Die Bauarbeiten am "Nesserländer Höft" werden wegen zu hoher Kosten eingestellt.
1631Emden erwirbt die Herrlichkeit Oldersum.
1633Emder Bürger legen Moorkolonie im Timmeler Moor, Großefehn, an.
1635Bau des Emder Hafentors durch Martin Faber.
164370 Emder Kaufleute gründen erste deutsche Grönländische Walfang-Kompanie.
1643/48Bau der Neuen Kirche durch den Emder Architekten Martin Faber.
1653Schiffsunglück im Falderndelft. 225 Personen, meist Schulkinder ertrinken.
1660Stiftung des Diakonen-Portals mit dem "Schepken Christi".
1665Pest in Ostfriesland, etwa 6000 Tote allein in Emden.
1680Vertiefung des verschlickenden Fahrwassers.
1682Brandenburgische Truppen landen in Greetsiel; 1683 Kurbrandenburgische Admiralität in Emden, Stationierung eines Marinebataillons.
1717Weihnachtsflut richtet große Schäden in Ostfriesland an.
1726/27Appelle-Krieg: Höhepunkt jahrzehntelanger Streitigkeiten zwischen dem Grafen, den Ständen und der Stadt Emden.
1744Carl Edzard, der letzten Cirksena-Graf stirbt. Friedrich II. von Preußen wird Landesherr. Dadurch wird Emden zum Freihafen. Ende der Stadtrepublik Emden.
1751Friedrich der Große besucht Emden, ein zweites Mal 1755.
1756/63Siebenjähriger Krieg, 1757/58 Franzosen besetzen Ostfriesland.
1763Bataillon "Courbiere" als preußische "Friedenstruppe" in Emden.
1765Abbruch der Burg. Preußische Kasernen auf dem Burgplatz.
1769Fahrwasser zum Logumer Hörn. Emder Heringskompanie neu gegründet.
1774Bau der lutherischen Kirche in der Bollwerkstraße.
1775Bau der neuen Rathausbrücke. Große Schäden durch Sturmfluten, besonders an der Emsmauer, auch 1776 und 1777.
1782Gründung einer Navigationsschule in Emden.
1796/1806Der Krieg Napoleons bringt Spitzenumschläge für den Emder Hafen.